Mitleid mit dem Täter verbockt die Gewaltschutzverfügung

Hintergrund dieses Satzes:

Gerade über Weihnachten oder auch sonst in den Ferien kommt es immer wieder vor, dass Betroffene von häuslicher Gewalt, die auch schon eine Gewaltschutzverfügung erwirkt haben, Mitleid mit dem anderen Elternteil haben. Dann wird den Kindern zuliebe gemeinsam Weihnachten gefeiert oder man fährt sogar gemeinsam in den Urlaub.

Und ganz überraschend kommt dann nach Weihnachten oder nach dem gemeinsamen Urlaub der Antrag des anderen Elternteils, die Gewaltschutzverfügung aufzuheben, weil man doch gemeinsam einen friedlichen Urlaub verbracht hat. Mit diesem Antrag kommt der andere Elternteil in der Regel auch durch!

Aufhebung der Gewaltschutzanordnung

Denn: Eine einstweilige Gewaltschutzanordnung ist dann aufzuheben, wenn der Anlass für diese Anordnung wegfällt, weil eben gemeinsam Zeit verbracht wird und das ganz freiwillig. Der oder die Betroffene von der Gewalt hat also freiwillig auf den Schutz durch die Gewaltschutzanordnung verzichtet. Und in diesen Fällen entfällt rückwirkend der Grund für ein dringendes Tätigwerden.

Das kommt häufiger vor, als ihr vielleicht denkt und hat häufig etwas mit psychischen Abhängigkeiten und psychischer Gewalt zu tun.

Hier gilt es also, vorsichtig mit seinen Entscheidungen zu sein: Wenn man nämlich nach einer Gewaltschutzanordnung nachgibt und der Urlaub oder die Familienfeier dann doch nicht so friedlich ist, wie man es sich erhofft, gibt es allenfalls die Möglichkeit, eine neue Gewaltschutzanordnung zu erwirken.

Wir erleben in der Kanzlei leider auch immer wieder, dass Betroffene von Beratungsstellen unter Druck gesetzt werden, trotz aktiver Gewaltschutzanordnung Umgänge selbst zu begleiten, gemeinsame Feste zu feiern oder auch gemeinsam Urlaub zu machen. Macht das bitte nicht!

Auch nicht, wenn es doch leider so einen Personalmangel gibt und es leider keine Kapazitäten für den gerichtlich angeordneten begleiteten Umgang gibt. Personalmangel ist ein Riesenproblem, aber es ist wirklich nicht das Problem des schützenden Elternteils.

Unsere dringende Bitte:

Passt hier gut auf und nutzt unbedingt den ohnehin dürftigen Schutz einer Gewaltschutzanordnung!

Entscheidung Kammergericht Berlin

Zu dieser Problematik gibt es auch eine Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 16.10.2023 zu Aktenzeichen 3 UF 35/23. Dort hat der Elternteil, gegen den eine Gewaltschutzanordnung erlassen wurde, nach dem gemeinsamen Urlaub beider Elternteile beantragt, die Gewaltschutzanordnung aufzuheben. Das Gericht hat entschieden, dass dieser Urlaub „deutlich über die Kontakte hinausgeht, die für die Regelung und Absprachen für die gemeinsamen Kinder erforderlich sind…“. „Durch die einvernehmlichen Kontakte zwischen den Beteiligten hat die Antragstellerin auf den Schutz der einstweiligen Anordnung verzichtet, wodurch der Anlass für die Anordnung des Gewaltbeschlusses weggefallen ist…“

Die gesamte Entscheidung könnt ihr hier nachlesen: VIS Berlin – 3 UF 35/23 | KG Berlin Senat für Familiensachen | Beschluss

©Karola Rosenberg