Umgangsrecht ist auch Umgangspflicht

Das Umgangsrecht dient bei gemeinsamem Sorgerecht auch der Aufteilung der Betreuungs-Arbeit

Es gibt Elternteile, die fühlen sich beruflich zu eingespannt, um eine regelmäßige Betreuung der Kinder zu übernehmen und verlangen von dem hauptbetreuenden Elternteil eine Flexibilität bei der Regelung des Umgangs, ohne selbst flexibel zu sein.

Entscheidung des OLG Nürnberg vom 18.01.2024, 9 UF 744/23

So musste das OLG Nürnberg kürzlich entscheiden, dass

  1. bei gemeinsamer elterlicher Sorge der Umgang auch zur Verteilung der Betreuungszeit zwischen den Eltern dient.
  2. es für eine konkrete gerichtliche Umgangsregelung ausreichend ist, dass der angeordnete Umgang praktikabel ist und regelmäßig ausgeübt werden kann und
  3. es dem umgangsberechtigten Elternteil bei erweiterten Umgängen zuzumuten ist, das Kind an einzelnen Terminen teilweise fremdbetreuen zu lassen.
Der Fall vor dem OLG Nürnberg hatte folgenden Hintergrund: 

Die geschiedenen Eltern haben zwei Kinder im Alter von aktuell 11 und 14 Jahren, die seit der Trennung bei der Mutter leben. Die Eltern haben das gemeinsame Sorgerecht.

In einer notariellen Vereinbarung haben die Eltern zunächst beschlossen, dass das Umgangsrecht des Vaters mit den Kindern flexibel nach Absprache der Eltern erfolgen soll. Die Kinder sollen sich hierbei etwa zu 1/3 beim Vater und zu 2/3 bei der Mutter aufhalten.

Während die Mutter mit einer 2/3-Stelle als Purserin arbeitet, ist der Vater in Vollzeit als Pilot beschäftigt. Der Vater hat zwischenzeitlich wieder geheiratet und lebt mit seiner Frau und der 12-jährigen Stieftochter zusammen.

Die flexiblen Umgangs-Absprachen funktionieren irgendwann nicht mehr, so dass die Mutter beantragt, dass der Umgang nunmehr fest alle 14 Tage von Donnerstag nach der Schule bis Montag vor Schulbeginn erfolgen soll. Daneben soll der Umgang an zwei weiteren Tagen stattfinden, die sich an dem Flugplan des Vaters orientieren können.

Der Vater beantragt die Abweisung des Antrags und erklärt, eine starre Regelung sei für ihn nicht möglich. Die Mutter sei aufgrund ihrer Teilzeittätigkeit flexibler und könne daher mehr Betreuung übernehmen.

Entscheidung des Amtsgerichts Fürth

Das Amtsgericht Fürth beschließt, dass der Umgang wie von der Mutter beantragt, alle 14 Tage von Donnerstag bis Montag stattfindet. Außerdem wurde eine Ferienregelung getroffen.

Der Vater legt Beschwerde ein und wehrt sich weiterhin gegen die Wochenendumgänge und erklärt, eine starre Regelung sei für ihn nicht praktikabel. Sein Arbeitgeber spiele hier nicht mit und eine Fremdbetreuung der Kinder während seiner Umgangszeiten sei widersinnig.

Die Mutter erklärt, dass der Umgang faktisch schon wie vom Amtsgericht beschlossen, durchgeführt wird und funktioniert. Die Kinder hätten damit überhaupt keine Probleme.

Die Problematik beim Freinehmen für den Umgang sehe sie nicht und außerdem gibt es ja noch die neue Ehefrau, zu der die Kinder einen guten Kontakt haben. Die Kindesmutter hat auch kein Problem damit, wenn der Vater mal eine Fremdbetreuung in Anspruch nehmen muss.

Entscheidungsgründe des OLG Nürnberg

Jedes Kind hat gemäß § 1684 Abs. 1 BGB ein Recht auf Umgang mit jedem Elternteil. Außerdem ist jeder Elternteil zum Umgang mit den Kindern verpflichtet und berechtigt. Das Gericht hat eine Umgangsregelung zu treffen, die dem Wohl der Kinder am besten entspricht.

Warum der anfangs vereinbarte flexible Umgang nicht mehr funktioniert, darüber kann das OLG nur mutmaßen. Während der Vater jedoch erklärt, an der flexiblen Umgangsregelung festhalten zu wollen und hier von der Mutter mehr Flexibilität fordert als er zu geben bereit ist, erklärt die Mutter, dass sie an der aktuell schon gelebten Umgangsregelung festhalten möchte.

Das OLG entscheidet, dass besonders in Fällen, in denen ein gemeinsames Sorgerecht besteht, der Umgang gemäß § 1684 BGB nicht nur dazu dient, den Kontakt und die Bindungen der Kinder zu ihren Eltern aufrechtzuerhalten, zu pflegen und zu fördern. Der Umgang dient vielmehr auch dazu, den hauptbetreuenden Elternteil zu entlasten und die tatsächliche Betreuung der Kinder in einem bestimmten Umfang aufzuteilen. 

Dem Vater ist daher auch zuzumuten, die Kinder während des Umgangs in einzelnen Fällen fremdbetreuen zu lassen. Ferner kann er die Kinder gemeinsam mit seiner 12-jährigen Stieftochter betreuen lassen und bei dem Alter der Kinder ist auch keine lückenlose Anwesenheit einer Betreuungsperson erforderlich. Außerdem nimmt auch die Mutter gelegentlich eine Fremdbetreuung für die Kinder in Anspruch, so dass dies auch dem Kindesvater zuzumuten ist.

Ferner erklärt das Gericht, dass es keine flexible Umgangsregelung treffen könne, da eine solche nicht vollstreckbar wäre.

Die vollständige Entscheidung des OLG Nürnberg findest du hier: Bürgerservice – OLG Nürnberg, Beschluss v. 18.01.2024 – 9 UF 744/23 (gesetze-bayern.de).

©Karola Rosenberg