Ordnungsgeld bei Kontakten außerhalb der Umgangszeit?

Kann man Ordnungsgeld oder sogar Ordnungshaft bekommen, wenn man die Kinder außerhalb der Umgangszeit einfach abholt, Umgang ohne ordentlichen Entschuldigungsgrund einfach verlängert oder verkürzt oder irgendwie sonst unentschuldigt gegen die Umgangsvereinbarung verstößt?

Die Lösung zu der Frage ist mal wieder: Es kommt darauf an! Und zwar dieses Mal nicht nur auf die Umstände des Einzelfalls, sondern auch darauf, bei welchem Gericht man um Ordnungsgeld und Ordnungshaft streitet.

Einige Gerichte vertreten die Ansicht, dass die Umgangszeiten explizit gerichtlich geregelt wurden und sich daraus “denklogisch” ergibt, dass in den anderen Zeiten kein Kontakt stattfindet. Jedenfalls nicht, wenn das nicht abgesprochen ist. Wenn das Kind also ohne Absprache einfach aus dem Kindergarten oder der Schule abgeholt wird, ohne dass das mit dem Elternteil, dessen Betreuungszeit gerade ist, abgesprochen ist, kann das mit Ordnungsgeld oder sogar Ordnungshaft bestraft werden.

Jetzt muss man ein bisschen aufpassen, um zu verstehen, worüber genau die Gerichte  sich nicht einig sind. Die Gegenmeinung, also die anderen Gerichte, sagen auch, dass es nicht in Ordnung ist, wenn ein Kind ohne Absprache einfach von Schule oder Kindergarten abgeholt wird. Allerdings muss nach der Ansicht dieser Gerichte im Umgangsbeschluss oder Umgangsvergleich ausdrücklich stehen, dass nicht abgesprochene Umgangszeiten – und dazu können auch Telefonate, Kurznachrichten, Chats und Co. gehören – ebenfalls mit Ordnungsgeld oder Ordnungshaft sanktioniert werden können.

 

Entscheidung des OLG Frankfurt am Main

Hier ist ein Beispiel aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichtes (OLG) Frankfurt am Main vom 05.06.2023, Aktenzeichen: 6 WF 68/23:

Hintergrund der Entscheidung 

In dem besagten Fall geht es um eine gerichtlich gebilligte Umgangsvereinbarung, nach der der Vater mit den Kindern in den ungeraden Wochen von Freitag nach der Schule bis zum darauffolgenden Sonntag um 17 Uhr Umgang hat. Außerdem hat er in den geraden Kalenderjahren Weihnachtsumgang vom Tag nach dem letzten Schultag ab 10 Uhr bis zum darauffolgenden 25.12. um 11 Uhr. Fällt ein Umgang krankheitsbedingt aus, wird er am darauffolgenden Wochenende nachgeholt. Zu guter Letzt hat das Amtsgericht noch Ordnungsmittel angedroht für den Fall, dass sich ein Elternteil nicht an diese Umgangsregelung hält.

Nach der Umgangsverhandlung

Nach der Umgangsverhandlung hält sich der Vater nicht immer an diese Vereinbarung. So bringt er die Kinder nach einem Umgangswochenende viel zu spät zur Mutter zurück und erklärt, dass eines der Kinder noch hätte essen müssen. Bei einem der nächsten Umgänge bringt er die Kinder sage und schreibe 3,5 Stunden später nach Hause und erklärt, das Auto wäre liegengeblieben. Und das, obwohl der Weg zur Mutter nur knapp 2 Kilometer lang ist und die Kinder nur maximal 20 Minuten hätten laufen müssen. Ein weiteres Mal holt der Vater eines der beiden Kinder außerhalb des gerichtlich geregelten Umgangs von der Schule ab und verbringt mit ihm Zeit.

Amtsgericht stimmt Ordnungsgeldantrag der Mutter zu 

Der Mutter reicht es und sie beantragt, gegen den Vater Ordnungsmittel (also Ordnungsgeld oder ersatzweise Ordnungshaft) zu erlassen. Das Amtsgericht entscheidet daraufhin, dass der Vater die Kinder nicht eigenmächtig mitnehmen und bei sich lassen dürfte und erlässt ein Ordnungsmittel. Das Amtsgericht folgt damit der ersten der beiden oben aufgeführten Meinungen. Das Amtsgericht sagt, dass mit der Umgangsregelung nicht nur die Betreuungszeit des Vaters, sondern auch die der Mutter geregelt ist und nicht abgesprochener Kontakt außerhalb dieser Umgangszeiten bestraft werden kann. Dafür braucht die Mutter auch kein ausdrückliches Kontaktverbot. Das Gericht entscheidet,  Ordnungshaft zu verhängen, weil der Vater mittellos ist, seine Verwandten ihm das Geld einfach schenken würden und es deshalb keinen Sanktionscharakter hätte.

Oberlandesgericht entscheidet anders 

Gegen die Entscheidung legt der Vater Beschwerde ein und das Oberlandesgericht Frankfurt kommt zu einer anderen Entscheidung als das Amtsgericht. Es entscheidet nämlich, dass ein Ordnungsmittel nur für die Fälle gerechtfertigt ist, in denen der Vater die Kinder zu spät bringt und dafür keine hinreichende Entschuldigung hat.

Das OLG ist der Auffassung, dass in den Fällen, in denen der Vater ohne Absprache mit der Mutter außerhalb der geregelten Zeiten Umgang mit den Kindern hat oder Kontakt zu diesen aufnimmt, nicht ohne weiteres ein Verstoß gegen die gerichtlich gebilligte Umgangsregelung vorliegt. Damit ein Verhalten mit Ordnungsmitteln sanktioniert werden kann, muss vorher völlig klar sein, dass dieses Verhalten konkrete Konsequenzen haben kann.

Das Verbot der Kontaktaufnahme außerhalb der geregelten Umgangszeiten muss schon in der Umgangsvereinbarung enthalten sein 

Das OLG entscheidet, dass die Umgangsregelung des Amtsgerichtes gerade nicht ein ausdrückliches Gebot beinhalte, dass der Vater außerhalb der geregelten Umgangszeiten keinen Kontakt zu den Kindern haben darf.

Selbst wenn man meinen sollte, dass es jedem einleuchtet, dass eine nicht abgesprochene Abholung der Kinder von Schule oder Kindergarten nicht in Ordnung ist, muss für ein Ordnungsgeld oder sogar Ordnungshaft klipp und klar – also hinreichend bestimmt – sein, dass  ein solches Verhalten die Konsequenz Ordnungsgeld oder Ordnungshaft haben kann.

Das OLG wies dann noch darauf hin, dass eine solche Klarstellung auch von Amts wegen über eine Abänderung der Umgangsregelung getroffen werden kann und so für die Zukunft alle Zweifel beseitigt sind.

 

Am Ende des Tages wandelt das Oberlandesgericht die Ordnungshaft in Ordnungsgeld um, weil Ordnungshaft etwas übertrieben – also nicht verhältnismäßig – war und auch nur für die zeitlichen Verstöße, also das verspätete Zurückbringen, anzuordnen war, weil der Rest eben nicht bestimmt genug geregelt war. Die Ausreden für die Verspätung hat das Gericht nicht gelten lassen und gesagt, dass man die Essenszeiten entsprechend zeitlich einplanen muss und wenn das Auto kaputt geht, man ja auch laufen oder sonstige Transportmittel in Anspruch nehmen kann.

Anmerkung und Bewertung:

“Warum sollte es denn überhaupt eine Strafe dafür geben, dass man Kontakt mit seinem eigenen Kind aufnimmt??” lautet eine Frage zu dieser Problematik.

Unsere Antwort: Wenn Eltern halbwegs miteinander kommunizieren können, entsteht hier kein Problem. Natürlich sollten Kinder auch in Nachtrennungsfamilien völlig unbefangen zu beiden Eltern Kontakt pflegen können und da muss auch nicht jede SMS erstmal ein Genehmigungsverfahren durchlaufen.

Man sollte allerdings im Blick behalten, dass nicht jede Trennung halbwegs friedlich verläuft und Trennungskonflikte vor den Kindern keinen Halt machen. Wenn Kinder damit leben müssen, dass ihre Eltern komplett zerstritten sind, dann brauchen sie zum unbefangenen Beziehungserhalt und zur Bindungspflege Schutzräume, in denen sie sich nicht ständig für den einen und gegen den anderen Elternteil entscheiden müssen.

Die ganze Entscheidung kann hier nachgelesen werden: Bürgerservice Hessenrecht – 6 WF 68/23 | OLG Frankfurt 6. Senat für Familiensachen | Beschluss | Vollstreckung von Umgangsregelungen

© Karola Rosenberg