Was sind „defiziente Eltern“?

Rein vom Begriff her sind das Eltern mit Defiziten. Aber Mal Hand aufs Herz – sind wir das nicht alle irgendwie? Nobody is perfect und so…

Zum Glück sehen Gesetz und Rechtsprechung das genauso und sagen ausdrücklich, dass der Staat erst in das „Erziehungsprimat der Eltern“ (schon wieder so ein Wort🙄) eingreifen darf, wenn das Wohl der Kinder nachhaltig durch die Eltern gefährdet wird. Das ist aber ja jetzt nicht so richtig aussagekräftig.


Typische Beispiele für „defiziente Eltern“, bei denen häufig auch eine Gefahr für das Kind vorliegt, sind Drogensucht und Alkoholismus. Besonders schwierig wird es im Bereich der Psychologie. Da ist dann gerne Mal die Rede von Gemüts- und Charaktermängeln.


Soweit so unklar: Denn wer hat in Zeiten von Lockdowns und mangelnder Kinderbetreuung keine Gemüts- und Charaktermängel? Ich bin bereit, eine „Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei-Karte“ für Eltern ohne jeden Gemüts- und Charaktermangel auszustellen. Die brauchen Sie dann ja eh nie und ich muss mir keine Gedanken über die Wirksamkeit und meine Strafrechtskenntnisse machen.

Im echten Rechtsprechungs-Leben ist damit z.B. gemeint, dass Eltern unfähig zum Aufbau emotionaler Beziehungen und Bindungen zum Kind sind und das Kind dadurch massiv emotional, sozial und psychisch vernachlässigt wird.


Also gute Bindung = gute Eltern?
Häufig ist die Antwort „Ja“. Außer, wenn sie „Nein“ lautet, weil die Bindung zu eng wird und eine symbiotische Beziehung angenommen wird.

Man merkt: Mit den klaren Antworten ist das nicht so einfach. Und daran merkt man auch, warum Kindschaftsrecht so kompliziert ist. Vor allem, wenn man im Gerichtssaal sitzt und was zur Bindungsforschung erzählt oder fragt und erstmal gefragt wird, was das ist.


Ich mag es trotzdem. Das Spannende an den Einzelfällen sind ja die Einzelfälle.

Urheber: Karola Rosenberg, Foto: AdobeStock