Was ist PAS?
Warum einfache Erklärungen für komplexe Probleme keine gute Idee sind.
Wenn Kinder den Umgang zum anderen Elternteil verweigern, gibt es dafür schnell eine einfache Erklärung. Da hört man dann: „Das ist ein klarer Fall von PAS“.
Aber was ist dieses PAS?
PAS ist die Abkürzung von Parental Alienation Syndrom – auf Deutsch: Dem Eltern-Entfremdungs-Syndrom. Gemeint ist, dass der betreuende Elternteil das Kind bewusst oder unbewusst beeinflusst, damit der umgangsberechtigte Elternteil abgelehnt wird.
Das ist natürlich eine sehr einleuchtende und einfache Erklärung. ZACK. Lösung gefunden. Oder nee… eine Lösung bietet PAS nicht. Aber eine Erklärung. Wenigstens ist jemand schuld. Mutti ist schuld oder auch Vati, wenn er die Hauptbetreuungsperson ist.
Das „Gute“ an einfachen Erklärungen ist, dass sie für jeden Fall passen. Und genau hier liegt auch die Krux und der Grund, warum die „Diagnose PAS“ eben keine Diagnose ist, sondern eine wissenschaftlich nicht nachprüfbare Idee, um eine komplexe Problematik einfach zu erklären.
Wenn eine Theorie haltbar sein soll, dann muss man sie auch „falsifizieren“ können. Das bedeutet, dass die Theorie widerlegbar und gerade nicht auf jeden Fall anwendbar ist. Überspitzt gesagt gilt: Wer glaubt, mit PAS eine Umgangsverweigerung erklären und lösen zu können, der glaubt auch, dass ein Slogan wie „make America great again“ die Probleme der amerikanischen Sozial- und Wirtschaftspolitik löst. Einfache Erklärungen für komplexe Problematiken richten aber in aller Regel mehr Schaden als Nutzen an.
Deshalb ist allein die Verwendung des Begriffs in anderen Ländern bereits unzulässig. Denn die Diagnose PAS hat in diversen Fällen zu ungerechtfertigten Inobhutnahmen bis hin zur Umplatzierung von Kindern zu Gewalt- und Sexualstraftäter:Innen geführt. Wenn man nämlich die Checkliste für das Vorliegen von PAS auf das Verhalten von missbrauchten oder misshandelten Kindern anwendet, kommt man zum Ergebnis: Klarer Fall von PAS!
Erklärungsmodelle der Umgangsverweigerung
„Wenn es PAS im Sinne des Erfinders Gardener gar nicht gibt, wie ist dann die Umgangsverweigerung zu erklären, wenn gerade kein Fall körperlicher oder seelischer Misshandlung vorliegt?“
❗Es gibt dafür so viele Erklärungen, wie es Gründe geben kann❗
Ein Versuch, Typologien zu entwickeln, nach denen Lösungsansätze ausgerichtet werden können, hat die Psychologin Behrend unternommen.
Sie hat die Entscheidung der Kinder in drei Kategorien unterteilt.
1. Die Streitvermeider
Die Kinder leiden besonders unter dem Stress und Streit der Eltern und versuchen, sich der Situation zu entziehen, indem sie den Kontakt ablehnen. Sie lehnen nicht den anderen Elternteil ab, sondern den Stress, den der Wechsel zwischen zwei teilweise verfeindeten Elternhäusern mit sich bringt. Der Stress besteht und wird umso größer, je mehr mit Schuldzuweisungen gearbeitet wird. Wird ein streitvermeidendes Kind wegen vermeintlicher Bindungsintoleranz des bislang betreuenden Elternteils umplatziert, lehnt es in der Folge auch schnell den vormalig hauptbetreuenden Elternteil ab. Das Problem ist nicht der eine oder andere Elternteil, sondern der Stress.
2. Das instrumentalisierte Kind
Die Kategorie der „instrumentalisierten Loyalität“ kommt der PAS-Erklärung am nächsten, geht aber mit wenigen Ausnahmefällen nicht von einer böswilligen Einflussnahme aus. Es geht eher darum, dass der betreuende Elternteil „Spitzen“ gegen den anderen Elternteil äußert: „Ach bei der Stieftochter ist dann plötzlich Geld für das Fahrrad da…“ Diese gerade in krassen Fällen auch nachvollziehbaren Bemerkungen können sich beim Kind zu einer völligen Ablehnung des anderen Elternteils anhäufen. Dabei ist zu beachten, dass Kleinstkinder entwicklungspsychologisch nicht manipulierbar sind, da sie unmittelbar auf Situationen reagieren und eine Manipulation nicht „haften“ würde.
3. Das verletzte Kind
Die Trennung der Eltern kann für Kinder viel traumatischer sein, als die Eltern die Situation einschätzen. Fühlt sich ein Kind verletzt und gekränkt durch den abgelehnten Elternteil, kann das der Grund sein, ohne dass der andere Elternteil Einfluss genommen hat.
Sieben Denkanstöße bei Umgangsverweigerung
Was können Eltern und professionell Beteiligte tun, wenn der Umgang verweigert wird?
HÖRT ZU, STELLT FRAGEN UND HABT DIE ZEIT IM BLICK!
1. Genau hinsehen und ZUHÖREN! Das Schlimmste was Eltern – egal ob sie auf der betreuenden Seite oder der abgelehnten Seite stehen – passieren kann, sind vorschnelle und pauschalisierende Annahmen.
2. Wenn ein Gewaltvorwurf geäußert wird, MUSS genau hingeschaut werden. Eine schnelle, professionelle und differenzierte Untersuchung der Hintergründe ist essentiell. Wenn die Eltern einen hochstreitigen Trennungskrieg führen, wird viel zu schnell angenommen, dass Gewalt und Missbrauchsvorwürfe nur Auswuchs des Trennungskrieges sind. Dabei kann gerade das auch Grund für die Hochstreitigkeit sein. Oder „die Gewalt hat sich ja nicht gegen das Kind gerichtet“. Mag ja sein, aber wie wirkt sie sich auf das Kind aus und wie auf den anderen Elternteil?
3. Vorsicht bei und mit dem „Vorwurf“ psychischer Erkrankungen. Liegt eine fachpsychiatrische Diagnose vor? Wie wirkt sich diese Diagnose auf das Kind aus? Wie auf den anderen Elternteil?
4. Alter und Entwicklungsstand des Kindes. Ist es vielleicht einfach „normal“, dass das Kind „fremdelt“? Wie war die Bindung und Beziehung vor der Trennung? Wie verhält sich das Kind bei der Übergabe? Wie danach?
5. Bevor über ein Wechsel des Lebensmittelpunktes nachgedacht wird oder schulterzuckend die Hände in den Schoß gelegt werden: Sind alle anderen, milderen Mittel ausgeschöpft? Gibt es Ordnungsgelder? Ordnungshaft? Ja stimmt: Ordnungshaft ist ein krasses Mittel. Aber wenigstens richtet sich das gegen die Erwachsenen und nicht gegen das Kind.
6. Findet eine Schmutzkampagne statt? Von wem? Warum wurden die Zeugen nicht geladen? Welche Verfahrensmängel gibt es? Warum findet im Gerichtssaal gerade kein Jura statt, sondern ein eurythmischer Laberzirkel?
7. Was können die Eltern tun? Gibt es konkrete Handlungsanweisungen?
GLÜCK HAT, WER EIGENE ANTEILE ERKENNEN KANN. AN SICH SELBER KANN MAN ARBEITEN!
Urheber: Karola Rosenberg, Foto: AdobeStock