Kindeswohl vs. Kindeswohlgefahr
Einer der häufigsten Fehler in Kindschaftsrechtsverfahren ist die fehlende Differenzierung zwischen den Maßstäben Kindeswohldienlichkeit gegenüber der Kindeswohlgefahr.
Auch wenn es sich vielleicht erstmal komisch anhört, ist das juristisch ein großer Unterschied. Nur weil etwas nicht dem Wohl des Kindes dient, heißt es nicht automatisch, dass daraus eine Gefahr entsteht.
Dem Kindeswohl dienen bedeutet, dass etwas ein aktiv positives Element enthält. Bei der Frage, bei wem das Kind nach einer Trennung leben soll, wird danach gefragt. Jedenfalls wenn beide Eltern grundsätzlich in Frage kommen. Auch bei der Frage, ob ein Wechselmodell in Betracht kommt, wer über die Schulwahl entscheiden soll oder welche Umgangsregelung getroffen werden soll, wird das Kindeswohl hinterfragt. Es geht dabei im Kern darum, die beste Lösung für das Kind zu finden.
Anders liegt die Sache bei einer Kindeswohlgefahr. Bei der Kindeswohlgefahr wird nach einem aktiv negativen Element gefragt. Steht ein Schadenseintritt bevor oder ist der Schaden schon eingetreten? Es wird nicht nach dem Besten für das Kind geschaut. Es soll nur schlimmer Schaden abgewendet werden. Das ist deshalb wichtig, weil das Vorliegen einer Kindeswohlgefahr der Grundstein für eine erhebliche staatliche Intervention, wie z.B. die Heimunterbringung des Kindes, begleiteter Umgang oder Umgangsausschluss, ist.
Während es bei der Kindeswohldienlichkeit durchaus eine Rolle spielen kann, ob jemand autoritär, laissez-fair, bindungsorientiert oder helikoptermäßig erzieht, kommt es bei der Kindeswohlgefahr nur darauf an, ob dadurch ein physischer oder psychisch-emotionaler Schaden für das Kind eintritt.
Dazwischen und darüber ist dann natürlich Raum für jede Menge Streit. Der ist dann nie besonders kindeswohldienlich. Man sollte versuchen zu vermeiden, dass der Streit dann noch zur Kindeswohlgefährdung eskaliert.
Urheber: Karola Rosenberg
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